Einführung in die Datenverarbeitung und Digitale Medien

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R. Großmann

13. Hyper und Multi

 

Begriff/Geschichte "Multimedia"

Mit der Möglichkeit für einen weiten Anwenderkreis bis in den Konsumerbereich hinein, in einer rechnergesteuerten Umgebung die Medientypen Text, Bild, Ton und Bewegtbild verknüpfen zu können, begann der Aufstieg des Begriffs Multimedia. Zunächst als marketinggerechtes Etikett für die schöne neue bunte und klingende digitale Informations- und Unterhaltungswelt verwendet (seit ca. 1989), verdrängt Multimedia in der Alltagssprache den wissenschaftlich fundierteren, aber engeren Fachbegriff Hypermedia, der sich in der Folge von Hypertext und Ted Nelsons Vision des Docuverse auf durch Links verknüpfte multimediale Dokumente (nichtlineare Struktur) bezieht.

 

herkömmlicher Text = linear, Seite für Seite, Kapitel nach Kapitel
Hypertext = nicht-linear, durch Links verknüpfte Texte;
Hypermedia = nicht-linear, durch Links verknüpfte Text-, Bild-, Tondokumente

>erste verbreitete Hypertext/Hypermedia Datenbank: Apple "Hypercard" (ab 1987; verlinkte Karteikarten)

In technischer Hinsicht unterscheiden sich Multimedia-Anwendungen von herkömmlichen Anwendungen durch ihr großes Datenaufkommen und Synchronisierungsanforderungen. Eine interaktive Nutzung von miteinander verknüpften Text/Bild/Ton-Daten ist etwa nur dann sinnvoll, wenn sich die Verzögerungszeit (Latenz) bei der Wiedergabe und programmgesteuerten Verarbeitung der Daten innerhalb enger Toleranzen bewegt. Besondere Anforderungen ergeben sich für zeitabhängige Medien wie Ton und Bewegtbild, die ohne eine kontinuierliche Übertragungsrate und Synchronisation mit komplementären Medien nicht eingebunden werden können.

Ab Mitte der 80er Jahre wurden aus diesen Gründen hybride Multimedia-Systeme eingesetzt, die statt einer heute angestrebten digitalen Integration eine Steuerung herkömmlicher Medien (etwa VCR, Bildplattenspieler) vorsahen.

>Vorläufer im militärischen Bereich (Advanced Research Projects Agency):
Aspen Movie Map, erstes interaktives Bewegtbild-Informationssystem

PC-Bereich: Das Media Control Interface (MCI) ab MS-Windows 3.x stellt dem Anwendungsprogrammierer in speziellen Application Programmer Interfaces (API) standardisierte Steuerungs-Schnittstellen für CD, VCR und Bildplattenspieler zur Verfügung. Es folgten ActiveX bzw. ab Win95 DirectX als Software Interfaces zur Steuerung der Wiedergabe von Multimedia-Dateien.

Aktuelle engere Definitionen von Multimedia enthalten z.B. folgende Bedingungen:
- Einbezug zeitabhängiger Medien
- Möglichkeiten programmabhängiger Kombination und Verabeitung verschiedener Medientypen

"Ein Multimediasystem ist durch die rechnergesteuerte, integrierte Erzeugung, Manipulation, Darstellung, Speicherung und Kommunikation von unabhängigen Informationen gekennzeichnet, die in mindestens einem kontinuierlichen (zeitabhängigen) und einem diskreten (zeitunabhängigen) Medium kodiert sind." (Steinmetz 1999, S. 13)

 

Technik

Datenübertragung

asynchron (keine definierte Ende-zu-Ende-Verzögerung der Datenpakete; d.h. so schnell wie möglich, aber: keine garantierte Rate)
Internetprotokoll; Ethernet

synchron (maximale Ende-zu-Ende-Verzögerung der Datenpakete)
etwa bei FDDI (Fiber Distributed Data Interface) optional. Zwischenspeicherung notwendig,
da Daten zu früh eintreffen können

isochron (maximale und minimale Ende-zu-Ende-Verzögerung der Datenpakete)

 

Synchronisation (Beispiele)

Wordclock

SMPTE

MTC

 

Randbemerkung: Wohl mehr als Marketing-Aktion wurden für Wintel-PCs Multimedia Geräte-Spezifikation verkündet. Danach ist ein Multimedia-PC ein gerade aktueller PC der gehobenen Mittelklasse.


Minimalforderungen der bisher drei 'Multimedia-PC' Spezifikationen (MPC)

1991 MPC 1:
Prozessor: 386SX (16 MHz)
Festplatte: 30 MB
Arbeitsspeicher: 2 MB
Soundkarte: 8-Bit, 11,025 oder 22,05 kHz, MIDI-Klangerzeuger, Schnittstelle zum
CD-ROM-Player (150 Kbyte/sec Datenübertragungsrate)

1993 MPC 2:
Prozessor: 486SX (25 MHz)
Festplatte: 160 MB
Arbeitsspeicher: 4 MB (empfohlen 8 MB)
CD-ROM Laufwerk: Datenübertragungsrate 300 Kbyte/sec
Soundkarte: 16 Bit, Mixer für 4 Tonquellen, MIDI-Klangerzeuger
Grafikkarte: VGA(640x480), 65536 Farben, Verarbeitung von 1,2 Megapixel pro Sekunde

1996 MPC 3:
Prozessor: Pentium
Festplatte: 540 MB
Arbeitsspeicher: 8 MB
Soundkarte: wie 1993, als Klangerzeuger Wavetable-Synthese, FM-Kompatibilität empfohlen

 

Anwendungen/Autorensysteme

Paradigmen:

Schwerpunkt Interaktion: Spiel, Medienkunst

Schwerpunkt Information: multimedial aufbereitete Datenbanken, einfache Lehr- und Lernsysteme, Präsentations'folien'

Autorensysteme:

Folienmodell (PowerPoint)

Karteikartenmodell (Hypercard, Toolbook); hypertextorientiert

Theatermodell (Macromedia Director); zeitabhängig; Bühnenmetapher ("Computer as Theatre")

 

Literatur

Technik
Steinmetz, Ralf: Multimedia-Technologie. Grundlagen, Komponenten und Systeme. Berlin 1999.
Forst, Hans-Josef (Hg.): Multimedia: neue Anwendungen in der Telekommunikation. Berlin 1993.

Traditionen/Visionen
Brand, Stewart: The Media Lab: Inventing the Future at MIT. New York 1988.
Negroponte, Nicolas: Total digital. München 1995.

Fiktion
Huxley, Aldous: Schöne neue Welt. München 1992.

 

Universität Lüneburg - Kulturinformatik - 20.1.2008 - Rolf Grossmann